Bericht aus Kapstadt

Auslandsstipendium der GPP: Ein Forschungsjahr in Kapstadt

Durch eine bereits bestehende Partnerschaft zwischen der Charité Berlin und dem Desmond Tutu TB Research Centre der Universität von Stellenbosch, Südafrika, bot sich mir im August 2009 die Möglichkeit, für ein Jahr zu Forschungszwecken nach Kapstadt zu gehen. Ich hatte mich bereits in Deutschland neben meiner Tätigkeit als Assistenärztin in der Pädiatrie mit der Pharmakokinetik von Antituberkulotika bei Kindern beschäftigt. Im Rahmen des Forschungsaufenthalts wurde nun die Pharmakokinetik von Ethionamid untersucht.
Ethionamid gehört zu den sogenannten „second-line“ Medikamente und weist deutlich geringere Grenzen zwischen Effektivität und Toxizität als die gängigen „first-line“ drugs auf. Die Bestimmung der Ethionamid-Serumspiegel und der daraus folgenden ggf. notwendigen Anpassung der Dosierung leistet einen wichtigen Beitrag zur Optimierung der Therapie der Tuberkulose bei Kindern. Bislang lag eine durch Studien abgesicherte wissenschaftliche Evidenz für die aktuell empfohlene Dosierung noch nicht vor.
Auf Tuberkulose spezialisiertes Krankenhaus
In unserer Studie wurden 30 Kinder im Alter von drei Monaten bis zwölf Jahren eingeschlossen. Diese Kinder rekrutieren wir im Brooklyn Chest Hospital in Kapstadt. Das Brooklyn Chest Hospital ist ein auf Tuberkulose spezialisiertes Krankenhaus, in dem v.a. schwere Erkrankungsfälle als auch Patienten mit resistenten Erregern therapiert werden. Neben den Stationen für Patienten mit multiresistenten (MDR-) Tuberkulosen gibt es auch eine spezielle Station für die Patienten mit extrem-resistenten Erregern (XDR-TB). Das Krankenhaus verfügt auch über zwei Kinderstationen, die etwa 60 Kinder beherbergen, wobei es sich um Kinder mit multi- oder extremresistenten Tuberkuloseerregern sowie Kinder mit besonders schweren Erkrankungsformen wie der tuberkulösen Meningitis oder der Miliartuberkulose handelt.
Nach meiner Ankunft in Südafrika Ende August galt es zunächst eine ganze Reihe von Vorarbeit für die Studie zu leisten. Zwar hatten wir das positive Votum der Ethikkommission bereits vorliegen, jedoch mussten sowohl die Dokumentationsbögen (Case report forms, Study sheets etc.) noch konzipiert werden als auch die Materialbestellung geregelt und viele logistische Fragen geklärt werden. Daneben musste ich auch noch aus Sicherheitsgründen und aufgrund des wenig verlässlichen öffentlichen Verkehrsnetzes, als passionierte Fahrradfahrerin mein erstes Auto kaufen.

Sprachliche Herausforderungen
Diese eher kleineren Probleme ließen sich jedoch recht schnell bewältigen und Ende September konnte mit der eigentlichen Studie begonnen werden. Da es in Südafrika 11 offizielle Sprachen gibt, neben Englisch und Afrikaans wird in Kapstadt z.B. vor allem Xhosa gesprochen, bedurfte es häufig Unterstützung der Studienschwester oder der Sozialarbeiterin, um Eltern oder Erziehungsberechtigen in die Klinik zu bitten, über die Studie aufzuklären und das Einverständnis zur Teilnahme der Kinder daran einzuholen. Tuberkulose ist eine Erkrankung, die vor allem bei der armen Bevölkerung vorkommt. Die meisten Eltern konnten sich eine Fahrt in die Klinik nur einmal im Monat leisten. Dadurch sind selbst die ganz kleinen Patienten allein auf sich gestellt, und für unsere Studie bedeutete dies, dass die Aufklärungsgespräche neben der sprachlichen auch eine zeitliche Herausforderung, darstellten. 
Bei der tatsächlichen Durchführung der Studie wurde den Kindern am Studientag eine Venenverweilkanüle gelegt und nach Gabe von Ethionamid stündlich 1ml Blut abgenommen, insgesamt sechs Proben. Die Proben wurden vor Ort zentrifugiert und bei -40°C tiefgefroren, was erforderlich ist, da Ethionamid ein wenig stabiles Molekül ist. Nach der letzten Probenentnahme wurden die Proben bis zur Durchführung der Sammel-Konzentrationsbestimmung in der Pharmakologie des Tygerberg Hospitals bei  -80°C gelagert. Die Ethionamid-Serumspiegel-Bestimmungen erfolgte bei jedem Kind nach einem und vier Monaten nach Therapiebeginn, um evtl. Veränderungen während der Langzeittherapie zu berücksichtigen.
Im Ergebnis der Studie konnten wir erstmalig zeigen, dass die momentan empfohlene Dosierung von Ethionamid zu ausreichenden Serumspiegeln bei Kindern bis 12 Jahren führt. Bei HIV-infizierten Kindern waren die Serumspiegel jedoch deutlich geringer. Auch das Alter übt einen Einfluss auf die Serumspiegel aus – je jünger die Kinder, desto niedriger die Ethionamid-Spiegel.

Leider hohe Anzahl Patienten
Aufgrund der leider recht hohen Anzahl an kleinen Patienten, konnten wir diese erste Studie frühzeitig beenden und entschieden uns daher, eine weitere pharmakokintetische Studie anzuschließen.
Die WHO hatte im September 2009 neue Dosierungsrichtlinien für die „first-line“ Medikamente Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid herausgegeben. Weder für die alten noch für die neuen Dosisempfehlungen gab es bislang Studien bei Kindern unter 2 Jahren. Wir konnten in dieser zweiten Studie zeigen, dass hier nur die aktuellen Dosisempfehlungen zu ausreichenden Serumspiegeln in dieser Altersgruppe führen. Des Weiteren untersuchten wir retrospektiv die Nebenwirkung von Ethionamid auf die Schilddrüsenfunktion als auch die Ototoxizität von Amikacin in der Langzeitanwendung.
Neben den wissenschaftlichen Möglichkeiten auf sehr hohem Niveau, die sich in der zügigen und erfolgreichen Umsetzung der Studien widerspiegeln, ist bei diesem Forschungsaufenthaltes besonders die äußerst freundliche, diskussionsfreudige und höchst motivierende Arbeitsatmosphäre am Desmond Tutu Centre hervorzuheben. Des Weiteren konnte ich ein wunderschönes und spannendes Land kennen lernen, das auf der einen Seite Charakteristika eines Entwicklungslandes aufweist, auf der anderen Seite den Standard eines west-europäischen Landes hat. Als besonderes persönliches Ereignis hatte ich die Möglichkeit am Ende meines Forschungsaufenthaltes die Fussballweltmeisterschaft in Südafrika mitzuerleben. Für die meisten Südafrikaner war dies ein Großereignis, das euphorisch gefeiert wurde.
Dieser Forschungsaufenthalt als auch die Durchführung der Studien war nur durch die finanzielle Unterstützung durch das GPP-Stipendium möglich, wofür ich mich noch einmal herzlich bedanken möchte.
Bericht und Bilder: Stephanie Thee

Infos zum Auslandsstipendium der GPP hier…

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